ein verlängertes Wochenende....


Unsere derzeitig konsumierende und stoffwechselnde Generation hat nicht das Glück von der guten, alten Zeit zu sprechen, die irgendeine Epoche mit einem senilen Kaiser meint, nicht die Zeit vor dem Brand des Justizpalastes und der Kanonade gegen Wiener Wohnhäuser und schon gar nicht die tausend Jahre dem germanischen Ausland angehörig….
Ein verlängertes Wochenende fand einmal vor zwanzig Jahren statt - einige Kollegen fuhren mit einem Bus Richtung Venedig. Es muss irgendwie doch eine gute, alte Zeit gewesen sein, weil der Betriebsratchef, der Herr N. stellte schon gleich nach der Abfahrt , wankend von einer Reihe zur nächsten, die Frage, ob er und sein Team ned supa wären, ermöglichen sie doch diesen Ausflug… dass es sich jedoch um die monatlichen Beitragsschillinge jedes einzelnen Mitfahrers und hauptsächlich um die der Nichtmitfahrenden handelte, wusste er nicht… oder er nahm von uns Koffern an, dass wir es nicht wüssten….

Da gabs noch diesen kleinen Zwischenfall mit dem Teammitglied H., der in seiner Jugend ein Wahnsinnsfußballer war…. und das ist er auch geblieben - weil er aber Fußballer war und man sich dessen erinnerte, wurde er eine kleine Wichtigkeit, zwar vom untersten bis obersten Rang belächelt, aber für ihn waren zumindest die täglichen acht Stunden eine gmahte Wiesn…. Unsere gegenseitige Verachtung wusste jede, spürte jeder… der ehemalige Erst- oder Zweitligaläufer konnte auf Grund seiner Ängste nicht wirklich seine Kontrahenten mit Verachtung strafen - er musste zwangläufig ohne fröhlich zu sein, ständig lachen, und konnte dabei wiederum fast Mitleid schinden, weil seine Falschheit aus Unsicherheit zu offensichtlich war…
Außerdem litt er bei jedem Grinser an seiner wie eine Rollo hochgehenden Oberlippe, die ein hellrotes, dickes, wie geschwollenes Zahnfleisch zeigte und eine Spur zu kurze Zähnchen - die außerdem etwas weit auseinander standen. Ich saß neben einer ausnehmend hübschen Kollegin mit einem breiten Gürtel, der eigentlich ein Rock war… ehrlich… nicht um zu braten, sondern weil die so leinwande Reisen unternahm und soviel zu erzählen wusste und ihren Garten mit Teich über alles liebte und überhaupt nicht so war, wie ein brunftiges Männerhirn von einer hübschen Frau annahm…

(sie war die Ausnahme - bei jeder anderen Frau habe ich ohnehin reagiert, wie es üblich ist….)
Das Zahnfleisch kam auf uns zu… bereits ein bisserl in der Glut - ohne Alkohol war der Zahnfleischlächler ein Scheisserl , Zahnfleisch grinste… machte seinem Spitznahmen alle Ehre und legte der Schönen blitzschnell eine Dose Bier zwischen die Beine und meinte, sie möge mit “ da Bixn de Bixn aufwarma… owa jo ned feicht mochn…” - ich gab ihm die Bierbixn mit dem Hinweis , dass er sie das nächste Mal frisst zurück und dass ich ihn die nächsten Tage wirklich nicht sehen will, es könnte sonst passieren, dass ich ihm…. Bis zu seiner Pensionierung war er mein Feind… der aber ned amal irgendwas anrichten konnte…
Meine paar Freunde waren von mir angetan… wir führten schwach- bis sinnige Gespräche, hatten unser Theater …ich hatte damals meine zweite große Trockendockzeit, war gut drauf… und wir fuhren Richtung Venedig…. Mit vielen, vielen Pausen… einmal zwecks Blasenentleerung, einmal um Bier anzukaufen… Wir plauderten auch vom Grafen Stauffenberg und vom Attentat und dass halt der Stauffenberg ein Preuße war, der eigentlich einen Separatfrieden mit den Westmächten wollte…und dem Gewinn von Lebensraum im Osten gar nicht ablehnend…. Im Hotel waren wir um zwei Uhr morgens… eine leinwande Hütte…

Hotel “Rialto” an der “Rialtobrücke”….unwirklich alles… Venedig war finster und ruhig und es roch nicht unangenehm, aber anders… eine unglaubliche Venedigpremiere für mich… und wir waren überdreht und fröhlich und die Nacht war schwarz und abenteuerlich und wir waren auf der Suche nach einem Tschocherl und laut und sangen… und die schmalen Gassen wurden noch enger und plötzlich ein Berg aus Müllsäcken und Kisten und obenauf…. Hitler…. mitten in Venedig im Müll Adolf H…. um nullzweidreissig…. Hitler mit Rotzbremsenbärtchen und der schrägen Haarsträhne… Adolf als Kater…. Adolf Katz…

Ehrlich mir zitterten die Hände und es gelang mir sogar ein Foto und … vielleicht sagte, vielleicht dachte ich es mir nur…. Dieses Viech muss ich zusammentreten… das ist die Wiedergeburt von A.H. und Adolf Katz rührte sich nicht - schon will ich mit dem rechten Bein durchziehen…. Adolf springt vom Karton… oder Adolf muss springen, weil der Karton aufspringt… jedenfalls - es gibt dafür ein halbes Dutzend Zeugen…. Aus dem Karton springt ein einäugiger, ganz magerer Kater… und verliert sich verfolgende mit dem flüchtenden Adolf Katz in der Schwärze Venedigs… Es war ein Wahnsinnswochenende… mit einem Bad im Oktobermeer - mit unterfüllten Hoffnungen irgendwo landen zu können, Kaffee und Konzert am Markusplatz, mit bunten Farben und Glasbläsern und einem Sieg über den Besitzer eines hellroten Zahnfleisches und die Sache mit dem Karton und Adolf und Stauffenberg… und einmal haben wir via-a-via vom Rialto den Herrn Handke getroffen…

er saß neben mir und trank auch Kaffee - ich fragte, ob er vielleicht der Handke sei, worauf der knochenhohl antwortete: “Ich war Handke…” und mir auf mein Packerl Gauloises hinten wie auch vorne sein Autogramm schrieb…
Im “Rialto” erzählten wir dem Vorsitzenden vom Herrn Handke und der Vorsitzende war der Meinung, Handke sei neich und frug, ob dieser vielleicht bei uns unten säße…. Herr N. war nämlich im dritten Stock des mächtigen Gebäudes beheimatet und konnte halt nicht alle und alles kennen….